Ernüchternd, so endete mein letzter Text. Die Lösungsaussichten für Fehl- und Desinformation in Podcasts sind nach aktuellem Stand gering: Praktische Maßnahmen, die vor allem Plattformen wie Spotify oder Apple Podcasts ergreifen könnten, sind niedrig dosiert und wenig überzeugend. Alle weitergehenden Maßnahmen klingen eher bedenklich als erwägenswert.
Für den Moment bleibt das Problembewusstsein das wohl wichtigste und wirkungsvollste Instrument im Umgang mit diesem noch sehr jungen Phänomen. Überhaupt zu erkennen, dass Podcasts in der Lage sind, falsche, fehlerhafte oder manipulative Informationen zu teilen, ist der erste Schritt zu einer kritischeren Rezeption des noch sehr jungen Mediums.
Wie ich bereits in meinem Artikel zuvor thematisierte, in den USA scheint dieses Problembewusstsein langsam zu wachsen – nicht zuletzt durch die Kontroverse um Joe Rogan und seine Verbreitung von Fehlinformationen zu COVID-19 über seinen Podcast »The Joe Rogan Experience«. Erste Forschung beginnt sich dem Problem zu widmen, u. a. in der Person von Valerie Wirtschafter von Brookings, die sich auf genau das Spannungsfeld von Moderation und Zensur konzentriert und über den differenzierten Umgang mit kontroversen Inhalten nachdenkt.
In Deutschland ist dieses Problembewusstsein noch nicht in dem Ausmaß vorhanden. Das zeigt zumindest meine Recherche in den letzten Wochen. Das Beispiel Joe Rogan ist zwar umfassend thematisiert worden und hat vor allem Spotify und seine Unternehmensstrategie und -philosophie als Exempel einer Podcast-Plattform in den Fokus gerückt. Der explizite und dezidierte Blick auf Desinformation in Podcasts, auch in seiner Breite und grundsätzlichen Problematik für das Medium, fehlt aber bisher.
Dabei wäre es Zeit, hinzuschauen.
Desinformation ist in Deutschland bereits auf Sendung
Audio entfaltet bereits täuschende Wirkung in Deutschland. Desinformation wird in Deutschland bisher verstärkt in sozialen Medien untersucht und beobachtet. Nachdem Facebook und Twitter nach der Präsidentschaftswahl 2020 erstmals »stärkere« Konsequenzen im Umgang mit politischer Agitation durch Verschwörungserzählungen gezogen haben, wird vor allem der Messengerdienst Telegram als weiter unregulierter Kanal von Politik, Medien und Forschung problematisiert.
Auf Telegram können Text-, Bild- und Sprachnachrichten in Gruppen mit zehntausenden Usern frei geteilt und weiterverbreitet werden. Konkurrent WhatsApp (Teil des Facebook-Mutterschiffs Meta) zum Beispiel, hat das Weiterleiten von Nachrichten bereits eingeschränkt, um Fehl- und Desinformation einzudämmen.
Besonders die Verbreitung von Audio-Inhalten in Form von Sprachnachrichten hat das Potenzial eine ähnlich gefährliche Wirkung zu entfalten, wie sie in Nordamerika Podcasts nachgesagt wird. Denn: Über Audio wirkt Authentizität noch unmittelbarer. Inhalte bleiben während des Konsums unkommentiert, unredigiert oder -revidiert. Authentische Stimmen können umso leichter täuschen. In den USA ist dieses Phänomen bekannt aus dem Radio, und entfaltet seit Joe Rogan oder Alex Jones auch in Podcasts seine Wirkung (ich thematisierte es in meinem letzten Artikel).
Auf Telegram nutzen prominente Verschwörungstheoretiker, wie z. B. Xavier Naidoo, Attila Hildmann oder Ken Jebsen in der Vergangenheit, die Möglichkeit, sich persönlich an ihre Follower zu wenden und den Botschaften Nachdruck zu verleihen – sei es als Text, Video oder Audio. Die Funktion von Sprachnachrichten kann allerdings auch dazu dienen, gefälschten oder fehlerhafte Audio-Inhalte zu platzieren und authentisch wirken zu lassen.
Ein Beispiel hat der Podcast »Noise«, eine Produktion von Undone in Zusammenarbeit mit Studio Bummens, moderiert von Patrick Stegemann und Khesrau Behroz (u. a. preisgekrönt für »Cui Bono«), offengelegt. Der Podcast hat sich im Rahmen der Bundestagswahl 2021 mit dem Thema Desinformation beschäftigt.
Die Folge »Desinfo FM« vom 29. September 2021 untersucht einen bemerkenswerten Fund: eine nach erstem Verdacht gefälschte, in jedem Fall schlichtweg gelogenen Radio-Meldung über 600 Kinderleichen, die während der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 angeschwemmt worden seien, nachdem sie zuvor »vor der Öffentlichkeit versteckt« worden seien. Die Aufnahme dieser authentisch klingenden, aber inhaltlich frei erfundenen Radio-Meldung wurde via Sprachnachricht über den Messengerdienst Telegram an mehrere hunderttausend User verbreitet und geteilt.
»Diese Geschichte, eine Lüge […], die sich verselbstständigt, die über Telegram verbreitet wird und auch in Privat- und Familienchats landet. Das ist auch eine Geschichte darüber, wie solch eine Nachricht durch Emotionalisierung […] Menschen aufstacheln, radikalisieren kann. Und das fern von jeglicher Kontrolle und Moderation […].«
aus dem Podcast »Noise«, Folge: »Desinfo FM«
Die Reichweite und Wirkung dieser irreführenden Audio-Datei an sich ist schon beängstigend. Der Ursprung der Nachricht legte aber eine weitere Spur offen und wirft ein weiteres Problem auf: Die Meldung stammte tatsächlich von einem Radiosender und wurde so gesendet.
Die Spur der Nachricht führt zu Top 20 Radio, ein auf den ersten Blick normalen Internet-Radiosender mit Mainstream-Pop-Musikprogramm, der sich auf den zweiten Blick in seinem Nachrichtenprogramm als ein lupenreines Sprachrohr für Verschwörungserzählungen herausstellt, die sie u. a. aus dem Dunstkreis des QAnon-Netzwerks beziehen. Dieses Netzwerk ist auch in den USA einflussreich mit der Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungsmythen.
Nun dürfte die Reichweite von Top 20 Radio sich auf einen Bruchteil des Telegram-Publikums beschränken, das empfänglich oder aber unerschütterlich überzeugt ist von Verschwörungstheorien, ihren »Propheten« folgt und ihnen Glauben schenkt. Es zeigt aber zugleich auf, wie einfach es ist, Desinformation in authentisch und seriös wirkenden Audio-Inhalten zu verpacken und zu verbreiten.
Es kann ein noch größeres Publikum erschlossen werden. Trotz (noch) geringer Reichweite sollten diese Mittel nicht unterschätzt werden, zumal immer mehr prominentere Fürsprecher Formate unterstützen und promoten, die ein »alternatives« Angebot an »Fakten« und Diskurs liefern. Ein Beispiel: der Internet-Radiosender Kontrafunk.
Unter anderem Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, konservative Reizfigur Hans-Georg-Maßen und Journalisten wie Roland Tichy seien dem Angebot wohlgesonnen, berichtet Übermedien, die den Kanal und sein Programm einmal genauer betrachtet haben. Desweiteren würden einige Großspender das Medium finanzieren.
In der Betrachtung vom Kollegen Andrej Reisin auf Übermedien wird das tägliche Programm von Kontrafunk zuweilen ins Lächerliche gezogen. Es wird als journalistisch amateurhaft, unorganisiert, wirr und damit nicht selten auch ulkig, lustig und komisch beschrieben. Zwischendrin wird aber bei aller unterhaltsam–absurden Schwurblerei auch »handfeste Desinformation« gesendet, z. B. in Bezug auf das Coronavirus.
» Zum Teil gerät die Nachrichtenauswahl unfreiwillig komisch […]. Weniger amüsant ist allerdings die fortschreitende Anti-Impf-Rhetorik im Sinne der ›Querdenker‹ und anderer Gegner:innen der Corona-Politik: Hier wird zum Teil handfeste Desinformation geliefert […]«
Andrej Reisin auf Übermedien über das Programm von Kontrafunk
Deutsche Podcasts sind noch unschuldig, deutsche Hörer aber nicht immun
Diese Formate wie Top20 Radio oder Kontrafunk mögen nicht die Reichweite von US-Radio-Hosts oder von Kalibern wie Joe Rogan haben, die bloßen Möglichkeiten sollten aber mit Blick auf die Erfahrungen und Entwicklungen in den USA davor warnen, die Wirkmacht von solchen Medien zu unterschätzen.
In deutschsprachigen Podcasts scheint diese Form von mis- bzw. disinformation via Audio noch nicht erkennbar zu sein – vielleicht auch, weil augenscheinlich bisher keine wirklichen Untersuchungen unter Deutschlands reichweitenstärksten Podcasts stattgefunden haben: Wie viele falsche Informationen wurden dort unkommentiert und unwidersprochen verbreitet? Welche Qualität hatten diese Fehlinformationen?
Das wäre durchaus relevant, denn ich sehe keinen überzeugenden Grund, warum das Risiko allein für misinformation – also der fehlerhaften Wiedergabe von Informationen ohne (ersichtliche) täuschende, manipulative Absicht – in Gesprächsformaten in Deutschland geringer sein soll als in anderen Ländern. Das Einfallstor ist dasselbe, auch für potenzielle Desinformation,.
Denn: Deutsche Podcast-Fans beziehen ihre Inhalte über die gleichen Plattformen. Die Frankfurt Allgemeine Zeitung zitierte im Dezember 2021 eine Erhebung, wonach über 80 Prozent der deutschen Podcast-Hörer Inhalte über Spotify oder Apple Podcasts abrufen. Ich habe bisher kein stichhaltiges Argument entdeckt, warum niemand in Deutschland diese Plattformen in gleichem Maße missbrauchen könnte. Ich erkenne bisher keine nennenswerten Anstrengungen, die den deutschen Podcast-Markt vor diesen gleichen Gefahren, die in den USA beobachtet werden, wirksam schützen.
Also müssen es wieder die Plattformen richten?
Ich habe mich schon zuvor auf Valerie Wirtschafter und ihre Forschung zu diesem Thema bezogen. Das bietet sich erneut an, nicht nur, weil sie eine der sehr wenigen weltweit ist, die dieses neue Phänomen untersucht, sondern auch weil sie sich bereits sehr umfangreich mit Podcast-Plattformen auseinandergesetzt hat. Ihr Ansatz: Plattformen müssen vor allem moderieren, nicht zensieren.
Sie umschreibt dieses Spannungsfeld sehr gut damit, dass der Fokus auf Inhalten läge, die »lawful but awful« – also rechtmäßig, aber schwer erträglich – seien. Nachdem sie in einem früheren Artikel aus dem letzten Jahr bereits erste Überlegungen über eine Kommentarfunktion angestoßen hat, hat sie einige Monate später noch differenzierter über mögliche Moderationsmaßnahmen geschrieben. Hier lohnt es sich, ihre Überlegungen einmal genauer anzuschauen:
App Policies
Nach Wirtschafter können Podcast-Plattformen in Bezug auf Inhalte – ähnlich z. B. wie große Suchmaschinen – noch erheblich präziser werden in den Regelwerken ihrer Apps. Als Negativbeispiel führt sie Apple Podcasts an. Dort umfassen die app policies zu schädlichen Inhalten nur 188 Wörter. Ich habe in diesen kurzen Text mal genau reingeschaut und tatsächlich könnte er von der sprachlichen (Un-)Schärfe her aus einem Wahlprogramm geklaut sein:
Das Nötigste ist hier getan, indem einmal klargestellt wird, dass Inhalte keine Gesetze in dem Land verletzten dürfen, in dem sie vertrieben werden. Viel mehr jedoch nicht: Alle potenziell schädlichen (»harmful«) und gefährlichen (»dangerous«) Konsequenzen (»outcome«) werden auch genau mit diesen sehr dehnbaren Vokabeln in Bezug auf das gesprochene Wort der Kampf angesagt. Dazu wird eine kleine Liste ergänzt, was darunter verstanden werden könnte, u. a. Aufrufe und Ermutigungen zur Selbstverletzung oder zur Straftat.
»Some content may not be suitable for distribution on Apple Podcasts, such as content that may lead to harmful or dangerous outcomes, or content that is obscene or gratuitous.«
aus den Apple Podcast Guidelines
Kurios wird es, wenn es eigentlich wichtig wird in Bezug auf Desinformation: Apple betont, dass Inhalte, die »mean-spirited«, also in böswilliger Absicht erstellt wurden, keinen Platz in der App hätten. Dieser Begriff fällt vor allem im Zusammenhang mit Einschüchterung, Belästigung, Bedrohung, nicht jedoch in Bezug auf Lügen oder Falschinformationen, wie es im Fall von Joe Rogan Gegenstand war.
»Defamatory, discriminatory, or mean-spirited content, including references or commentary about religion, race, sexual orientation, gender, national or ethnic origin, or other targeted groups, particularly if the content is likely to humiliate, intimidate, harass, or harm individuals or groups or includes specific threats of violence against certain groups or individuals. Professional political satirists and humorists are generally exempt from this requirement.«
aus den Apple Podcast Guidelines
Intention ist wohl die schwierigste Beweisführung für den Vorwurf der Desinformation, Fakten sind hingegen erheblich leichter herzuleiten. Besonders brisant für den Fall Joe Rogan: Comedians, wie er einer ist, und Satiriker sind mit ihren Inhalten explizit ausgenommen.
Der Kernmechanismus einer Plattform erscheint da praktischer: der Empfehlungsalgorithmus. Er legt fest, welche Inhalte von der App ausgewählt und Usern vorgeschlagen bzw. ausdrücklich empfohlen werden. Wirtschafter formuliert eine verhältnismäßig deutliche Forderung:
»Spotify and Apple Podcasts should develop nuanced policies around the kinds of podcasts they are comfortable playing in their app but not amplifying across their user base.«
Valerie Wirtschafter, Brookings
Dieser Empfehlungsmechanimus erscheint mir als der wohl wirksamsten Hebel für Plattformen. Er ist ein zentraler Baustein für ihre Mechanik und eröffnet die Möglichkeit, irreführende, manipulative Inhalte zwar zu »beherbergen« und zu dulden, aber nicht proaktiv weiter zu verbreiten. Podcast-Plattformen könnten sich damit Vorwürfen der Zensur entziehen, müssten so lediglich Position beziehen, warum einige Inhalte nicht vom Algorithmus profitieren.
User Features
Es ist ein sehr grundlegendes Mittel, diskursiv und damit durchaus im Sinne des Erfinders freier Content-Plattformen: Reporting. Usern wird das Recht eingeräumt, Inhalte zu melden und Beschwerde einzureichen, wenn sie der Ansicht sind, dass sie schädlich sind. Plattformen wird dabei geholfen, problematische (im Sinne von verletzende, diffamierende, irreführende, manipulative und ver- oder aufhetzende) Inhalte ausfindig zu machen und entlang ihrer Richtlinien zu reagieren. Es entlastet sie, den etwas illusorischen Anforderungen von »ausreichendem« Personal, um Inhalte zu überwachen, gerecht zu werden. Die User-Base ist Teilnehmer und Aufseher zugleich. Inhalte werden auch nicht gleich gelöscht, können geprüft werden und der Urheber kann Widerspruch gegen eine Löschung einlegen.
In der Praxis ist es dennoch ineffektiver als es erstmal scheint. In der aufgeheizten Stimmung, in der wir uns aktuell befinden – in Nordamerika, genauso wie in Europa – ist das Denunziantentum digital und rabiater geworden. Das willkürliche, gänzlich subjektive Melden von Inhalten, besonders wenn darum geht, den Wahrheits- und Informationsgehalt zu untersuchen, ist zum Scheitern verurteilt, weil die Zahl der falschen, unbegründeten Meldungen jede Kapazität der Kontrolle sprengen dürften. Das Risiko der false positives, sprich der fälschlichen Löschungen von Inhalten, könnte Plattformen zersetzen.
Nichtsdestotrotz ist es umgekehrt bedenklich, wenn die größten Podcast-Plattformen überhaupt keinen Mechanismus installiert haben. Laut Wirtschafter habe Spotify nichts dergleichen, Google Podcasts nur eine »Feedback«-Funktion. Apple Podcasts mache ein deutlich klareres Angebot (»Report a concern«) für ein differenziertes Beschwerdemanagement.
Tatsächlich: Wer bei Spotify eine Podcast-Episode aufruft, der kann sie teilen – aber kein technisches wie inhaltliches Problem melden. Wer auf Apple Podcasts hingegen eine Episode teilen will, der findet in derselben Liste auch die genannte Möglichkeit »Report a concern«, die einen zu einem relativ kleinteiligen, dennoch übersichtlichen Beschwerdeformular weiterleitet, u. a. auch mit einer genauen Zeitangabe innerhalb der Episode.
Regulation
Bereits im letzten Beitrag habe ich auf die Problematik von regulatorischen Maßnahmen durch den Gesetzgeber (»you can’t regulate this away«) hingewiesen und meine grundlegende persönliche Haltung dazu geäußert. Wirtschafter stellt in ihrem Text ebenfalls fest, warum sich das schwierig gestalte und nicht erwägenswert sei:
»Regulating podcasts is difficult in part because it requires balancing the right to freedom of expression with the need to preserve societal welfare and protect against social harms. To strike that balance appropriately, regulators and government officials should neither seek to proscribe lawful content outright nor indirectly pressure podcasting applications to interpret their terms of service such that certain content is banned.«
Ihr Ansatz setzt auf Transparenz. Plattformen sollen klar darüber kommunizieren und informieren, welche Richtlinien und Praktiken auf der Plattform gelten, mit der sie Inhalte moderieren. Sie sollen diese nachschärfen, um u. a. auch gegenüber den Usern offenzulegen, wer hinter einzelnen Podcasts steht und diese finanziert. Die Mechanismen hinter dem Empfehlungsalgorithmus sollen klar verständlich für jeden User erläutert und einsehbar sein.
Das klingt erstmal nach Verlegenheit und noch lange nicht zufriedenstellend. Dieser Ansatz gibt aber zumindest eine Richtung vor, wie eine wachsende und damit immer unkontrollierbarer Podcast-Branche geordnet und vielleicht auch eingehegt werden kann, bevor sie irgendwann zu unübersichtlich wird.
Eine Aufgabe für Podcast-Nation Deutschland
Ich bin weiterhin skeptisch: Reicht es wirklich, zu erwarten, dass Plattformen wie Spotify es am Ende regeln?
Die Vorschläge von Wirtschafter sind nachvollziehbar. Sie lesen sich nicht gerade nach schmerzhaften »Zugeständnissen«, die von Podcast-Plattformen erwartet werden, sie klingen aber auch nicht nach einer Zauberformel, die das Problem löst. Das Problem von Desinformation entsteht und löst sich mit denselben zwei Hauptakteuren: diejenigen, die Inhalte erstellen und diejenigen, die diese Inhalte nicht nur konsumieren, sondern auch bewusst rezipieren und vor allem kritisieren.
Nun steht der deutsche Podcastmarkt noch am Anfang. In den USA ist alles bereits unübersichtlicher geworden. Einen gravierenden, reichweitenstarken und vor allem öffentlichkeitswirksamen Fall für gezielte Desinformation hat die deutsche Podcast-Welt bisher nicht erlebt – oder entdeckt. Zum Glück. Deutschland hat, anders als die USA, keine jüngere Vergangenheit mit politischer Agitation und Desinformation im Radio. Die USA erlebt heute in Form von Podcasts eine Fortsetzung dessen. Deutschland könnte mit Podcasts am Anfang stehen.
Umso wichtiger wäre es, das Bewusstsein dafür jetzt zu schärfen, eigene Möglichkeiten für den Umgang mit dem Medium zu diskutieren und vielleicht eigene Lösungen zu entwickeln, die sich nicht allein auf die Plattformen fokussieren. Worauf sich der Blick richten sollte? Ich glaube auf die Inhalte. Wenn es darum geht, den Wert und die Integrität von Informationen und dem Medium Podcasts aufrecht zu erhalten, sollte ein noch höherer Anspruch an das gelegt werden, was beides trägt – sowohl von denen, die Podcasts produzieren als auch von denen, die sie hören.
Das heißt, die deutsche Podcast-Branche hat auf den ersten Blick hier eine sehr große Chance, wenn sie das Problem und die Gefahr jetzt erkennt und adressiert.